16. Mai 2017
Braucht es zusätzliche Regulierungen für die sozialen Medien? Der Bundesrat entscheidet in seiner Standortbestimmung vom 10. Mai 2017, zurzeit keine weiteren Massnahmen zu ergreifen. Die laufenden Gesetzgebungsarbeiten sollen aber fortgesetzt und die internationalen Entwicklungen weiter beobachtet werden. Unter anderem sind Vorbereitungen für ein neues Gesetz über elektronische Medien im Gang.
Der Bundesrat hatte im Mai 2013 einen ersten Bericht zur rechtlichen Basis für Social Media verabschiedet. Damals waren aus Sicht des Bundesrats diverse Fragen offen. Unter anderem verwies der Bericht damals auf die laufende Revision des Fernmeldegesetzes, die zeigen sollte, wieweit die fernmeldegesetzlichen Vorschriften auch für Social-Media-Plattformen gelten sollten. Fragen zum Jugendschutz sollten unter anderem im Rahmen des nationalen Programms „Jugend und Medien“ geklärt werden. Fragen zum Datenschutz sollte das Justiz- und Polizeidepartement im Rahmen der Revision des Datenschutzgesetzes prüfen.

Neue Standortbestimmung


Der Bundesrat beauftragte 2013 aufgrund der offenen Fragen und laufenden Arbeiten das UVEK (Eidg. Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation), ihm bis Ende 2016 erneut eine Standortbestimmung zum Regulierungsbedarf im Bereich der sozialen Netzwerke vorzulegen. Am 10. Mai 2017 publizierte der Bundesrat nun einen Nachfolgebericht. Dieser gibt einen Überblick über neue internationale und nationale Entwicklungen im Social-Media-Bereich. Er beschreibt internationale Regulierungsinstrumente und hängige Regulierungsarbeiten in der Schweiz. Er zieht ein Zwischenfazit und gibt Empfehlungen zum weiteren Vorgehen.

Nutzerzahlen


Die Nutzung sozialer Medien hat in der Schweiz seit 2011 um 10 Prozent zugenommen. Besonders berufliche Netzwerke werden vermehrt genutzt. 2015 nutzten 59 Prozent der Internetnutzer/-innen (52 Prozent der Bevölkerung) beruflich oder privat soziale Netzwerke. 82 Prozent der Social-Media-Nutzer/-innen (=43 Prozent der Bevölkerung) taten dies mindestens einmal wöchentlich, 63 Prozent der Social-Media-Nutzer/-innen (= 33 Prozent der Bevölkerung) mindestens einmal täglich. Am häufigsten nutzen die 20- bis 29-Jährigen soziale Netzwerke, gefolgt von den 14- bis 19-Jährigen.

90 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen sind auf sozialen Medien aktiv. Favoriten sind Facebook und YouTube, gefolgt von Twitter, Xing, Linkedin, Google+, Blogs und Instagram. Weltweit verzeichnet Facebook rund 1,7 Milliarden Nutzer/-innen, gefolgt von Instagram und Google+ mit rund 500 Millionen Nutzenden.

Aktuelle Entwicklungen


Social Medias spielen auch für klassische Medien wie Radio, Fernsehen und Zeitungen eine zunehmende Rolle. Die Möglichkeiten des Publikums, sich direkt zu einzelnen Beiträgen zu äussern, werden dabei teilweise eher wieder begrenzt. Die Neue Zürcher Zeitung NZZ zum Beispiel hat die Kommentarspalte bei den meisten Online-Artikeln deaktiviert, weil oft keine konstruktive Diskussion stattfinde. Hingegen werden die Beiträge aus Social-Media-Plattformen von Journalisten stark beachtet und oft sogar direkt in ihre Berichterstattung aufgenommen.

Zu den problematischen Entwicklungen im Social-Media-Bereich gehören Trolle, welche die Kommunikation auf sozialen Plattformen durch provokative und destruktive Beiträge behindern, teilweise im Auftrag Dritter. Schwierigkeiten bereiten auch Fake News – unwahre, wider besseren Wissens geäusserte Behauptungen falscher Tatsachen. Verfasst werden diese Beiträge vermehrt auch durch Social Bots – Programme, die das Verhalten von Menschen nachahmen und in grosser Zahl Meldungen verfassen und so einen Einfluss auf die Meinungsbildung gewinnen. Twitter selbst sagte bereits 2014, 23 seiner damals 271 Millionen Nutzerkonten seien automatisiert. Im US-Wahlkampf sollen 2016 rund 20 Prozent der Tweets durch Social Bots verbreitet worden sein.

Regulierungen


Wenn Fake News oder Social Bots diffamierende oder verleumderische Aussagen äussern, greift das Strafrecht, das auch auf Internet-Plattformen und soziale Medien anwendbar ist. Allerdings lassen sich die Betreiber von Social Bots meist weder identifizieren noch rückverfolgen. Vor allem im Wirtschaftsbereich greift oft das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wenn jemand andere Marktakteure durch „unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt“. Bei der Übernahme von Inhalten sozialer Netzwerke durch herkömmliche Massenmedien spielt die Selbstregulierung eine wichtige Rolle. Für das Schweizer Radio und Fernsehen gilt gemäss Radio- und Fernsehgesetz auch im Social-Media-Bereich das Gebot sachgerechter Darstellung.

Auch bei den sozialen Netzwerken selber spielt die Selbstregulierung eine zunehmende Rolle. Facebook und Google haben angekündigt, gegen die Verbreitung von Fehlinformationen vorzugehen. Twitter gab an, kürzlich rund 150‘000 Konten gesperrt zu haben. Im Bericht des Bundesrats wird vermerkt, dass die Social-Media-Plattformen wohl ein Interesse daran hätten, die Verbreitung von Social-Bots einzuschränken, da die Nutzer kaum auf einer Plattform kommunizieren möchten, „auf der sich grösstenteils nur Social Bots als Gesprächspartner finden“.

Nationale mit internationalen Gesetzen abstimmen


Die Selbstregulierung ist auch deswegen wichtig, weil es sich – wie bereits 2013 festgestellt - weiterhin als schwierig erweist, gegenüber global tätigen Netzwerken rechtliche Regulierungen durchzusetzen. Dennoch sind in der Schweiz und weltweit zahlreiche Regulierungsvorhaben im Gang. Der Standortbestimmungsbericht des Bundesrats verweist für die Schweiz unter anderem auf die Revision des Datenschutzgesetzes und des Fernmeldegesetzes, auf das bereits revidierte Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldegesetz (BÜPF) und auf das neue Nachrichtendienstgesetz.

Die Revision des Datenschutzgesetzes erlaubt auch eine Annäherung der schweizerischen Gesetzgebung an die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union. Dabei geht es unter anderem um die Datenschutzgrundsätze „privacy by design“ und „privacy by default“. Diese Grundsätze verlangen zum Beispiel, dass es der Person zum Zeitpunkt der Datenerhebung mitgeteilt werden muss, wenn ihre personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen. Browser sollen Endnutzern die Option bieten, die Speicherung von Cookies Dritter auf ihren Endgeräten zu unterbinden.

Neues Gesetz über elektronische Medien


Weiter ist beim Bundesamt für Kommunikation ein neues Gesetz über elektronische Medien in Vorbereitung. Eine öffentliche Vernehmlassung zum Vorentwurf ist für das Frühjahr 2018 geplant. Unter anderem soll geprüft werden, ob über Social-Media-Plattformen verbreitete Inhalte gewissen Mindeststandards unterstellt werden sollen. Ziele sind insbesondere der Jugendschutz sowie die Kennzeichnung von Produkteplatzierungen (Werbung). Auch hier wird eine Harmonisierung mit europäischen Regulierungen zu prüfen sein.


Weitere Informationen:
Bundesrat: Kein neuer Regulierungsbedarf für Social Media, Medienmitteilung vom 10. Mai 2017
Bundesrat: Rechtliche Basis für Social Media: Erneute Standortbestimmung (2017) , Nachfolgebericht des Bundesrates zum Postulatsbericht Amherd 11.3912 „Rechtliche Basis für Social Media“, 10. Mai 2017

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